Unterbrechung

Ob wir’s merken, oder nicht: Alle sieben Tage sind wir einer weltweiten Revolution auf der Spur. Oder wie soll man es bezeichnen, wenn in einer Welt, die seit den Dinosauriern von Selbstbehauptung und Konkurrenzkampf beherrscht ist, plötzlich eine Unterbrechung Einzug hält? Das Gesetz des Stärkeren hat nicht das letzte Wort. Leistungszwänge werden durchbrochen. Zweck-frei steht er da, der Tag der Ruhe. Durch die Bibel ist er in die Welt gekommen: „Schabbat“! Verwandelnd. Revolutionär.

In der biblischen Lebensordnung gilt vom Sinai an: Der siebte Tag ist frei. Für alle, im ganzen Volk: Reiche und Arme, Selbständige und Abhängige, Frauen und Männer, auch Fremde, ja sogar die Tiere im Stall. „Schabbàt“ heißt das Zauberwort. Wörtlich bedeutet es „Aufhören“. Einfach loslassen also. Weglegen, was mich in Atem hält: Aufgaben, Erwartungen, Werkzeuge, Aktenordner, Shoppingzwänge, Börsennachrichten, Arbeitsklamotten, Werktagsroutine… „Sechs Tage lang tu deine Arbeit, und am siebten Tag – höre auf!“ (Exodus 23,12)

Was braucht es eigentlich, damit so was geht? Auf jeden Fall gehören dazu ja Menschen, die wissen (oder ahnen): Dass es uns gibt, dass wir leben können als befreite Menschen; mit Würde, die uns niemand nimmt, das verdanken wir Gott. Unsere Leistung ist wichtig, aber das Kostbarste im Leben verschafft sie uns nicht. Wir sind mehr als die Ziele, die wir uns setzen, die Zwecke und Interessen, für die wir arbeiten. An jedem siebten Tag feiern wir das: Da sein dürfen als die, die wir sind; in den Beziehungen, die unser Leben tragen – zu uns selber, zu anderen, zum lebendigen Gott.

„Schabbat“ – „Aufhören“. Im jüdischen Volk ist sie seit langem lebendig, die hohe Kunst des Aufhörens, des Eintauchens in die Freiheit der Kinder Gottes. „Vorgeschmack der Kommenden Welt“, so wird der Sabbat auch genannt. Denn wirklich: da bricht ja etwas auf und durch, das ist nicht so ganz von dieser Welt.

Und es hat schließlich ausgestrahlt und abgefärbt, Gott sei Dank! Die junge Kirche, in der jüdische Stimmen rasch in der Minderzahl waren, feierte statt des siebten bald den ersten Tag der Woche: im Gedenken an Jesus und seine Auferweckung. Auch damals, am Ostermorgen, ist ja Gottes neue Welt hereingebrochen in das alte Leben – und Viele, Viele finden dadurch seither auf einen neuen Weg: aus Anpassung oder Gleichgültigkeit befreit im Namen des einen, lebendigen Herrn. So wurde für uns Christen der erste Tag der Woche wichtig als der „Tag des Herrn“.

Kaiser Konstantin hat ihn dann „Sonntag“ genannt und zum gesetzlichen Feiertag erklärt.  1700 Jahre ist das her. Unterschiedliche Motive waren dabei im Spiel; auch Konkurrenz zu dem jüdischen Sabbat, sicher. Und doch: So zieht er nun eben seine Kreise, bis heute – der Ruhetag, die Auszeit vom Alltag, die Erlaubnis aufzuhören und loszulassen, da zu sein und das Leben zu feiern – mit anderen zusammen, als Kinder Gottes.

Leicht hat er es nicht, der gemeinsame Ruhetag, auch in der modernen Gesellschaft. In den vielen Lebensmodellen unserer Zeit ist er eine Option unter vielen. Aber es gibt sie! Hierzulande sogar gesetzlich geschützt. Alle sieben Tage ist sie da: die Einladung aufzuhören, aufzuatmen, zu feiern und zu entdecken, was wirklich zählt in unserem Leben. Die weltumspannende Revolution geht weiter. Jeden Schabbat, und jeden Sonntag auch. Gott sei Dank!